Manfred Rühl
zu...
"Bausteine einer systemischen Nachrichtentheorie"
(in:
Message – Internationale Fachzeitschrift für Journalismus, 2/2001)
”Journalistische
Praxis und kommunikationswissenschaftliche Journalistik widmen
ihre Arbeit derselben Problematik, mit ungleichen Theorien. In
Demokratien und Wettbewerbsgesellschaften lassen sich beide weder
von externen Normen determinieren noch auf ideologische Zwecke
festlegen. Praktiker (experts) suchen mit Arbeitstheorien (working
theories) unmittelbare Zugänge zur journalistischen Wirklichkeit,
gerüstet mit Erfahrungswissen (Know-how) aus Studium, Ausbildung
und lebenslanger Arbeit. Die Journalistik forscht und lehrt sozialwissenschaftlich,
wenn sie Probleme des journalistischen Alltags vergleichend bearbeitet
- ohne Rückgriff auf Journalismusideale und fantastische Journalismusheroen
als Leitfiguren.
Stefan Frerichs bekennt, als Nachrichtenpraktiker (nicht als Wissenschaftler)
für das vorhandene “Nachrichten”-Wissen eine neue (wissenschaftliche?)
Architektur anzubieten - mit Hilfe von “Chaostheorie” und “Konstruktivismus”.
Ihm ist zuzustimmen: Die gängige Nachrichtenforschung operiert
viel zu viel mit dem überkommenen Subjekt/Objekt-Schema sowie
praktisch ungedeckten Mutmaßungen über Geschichte und Produktion
von Nachrichten. Wo sie mit Befragung und Inhaltsanalyse Daten
ermittelt, ist zu fragen, was die zur Transparenz redaktionellen
Entscheidungshandelns, zu Wettbewerbsfragen auf Nachrichtenmärkten,
zum multimedialen Nachrichtenvergleich oder zum Schreiben von
Nachrichten durch “Internetisierung” beitragen können?
Traditierte Modelle und Schemata zu analysieren geschieht üblicherweise
mit der Erkenntnishilfe der System/Umwelt-Theorie, auch vom “Konstruktivismus”
praktiziert. Mit der sozialwissenschaftlich unausgereiften Chaostheorie
neigt Frerichs allzu sehr dazu, über einzeltheoretisch-methodische
Unterschiede in Journalistik und Journalismus hinwegzuhuschen.
Wo liegt der damit zu erzielende Erkenntnisgewinn?
Manfred
Rühl